Deutsches Aktieninstitut e.V. / Schlagwort(e): Sonstiges
07.09.2012 / 10:00
Friedrich von Metzler, persönlich haftender Gesellschafter, B. Metzler seel. Sohn & Co. KGaA
'Regulierungsaktionismus kann persönliche Ethik im Bankgeschäft nicht ersetzen'
Uta-Bettina von Altenbockum, Finanzplatz
Langfristigkeit beim Vermögensaufbau und nicht der schnelle Erfolg ist die Maxime des Bankhauses Metzler, mit der man in den letzten dreihundert Jahren alle Klippen und Untiefen, die die Kapitalmärkte so bieten, umschifft hat. Auch die aktuelle Krise hat keine Spuren in der Vermögensverwaltungs- und Investmentbank hinterlassen. Trotzdem lässt die Krise den persönlich haftenden Gesellschafter Friedrich von Metzler nicht unberührt. In einem Interview mit dem Finanzplatz kritisiert er die pauschale Verurteilung der Branche und wirbt für mehr persönliche Verantwortung in diesem Bereich.
Interview
Vermögensberatung und -verwaltung sind zentrale Geschäftsfelder des Bankhauses Metzler. Wie haben sich diese Geschäftsfelder unter der andauernden Krise verändert?
Eine Veränderung können wir in unserem Haus nicht feststellen. Unsere Vermögensverwaltung orientiert sich an den individuellen Zielen der Kunden, sollte aber nicht zu sehr von einer aktuellen Marktlage abhängen. Es geht nicht darum, kurzfristig die beste Rendite zu erreichen, sondern um den langfristigen Vermögenserhalt – das heißt für die nächsten Jahrzehnte oder Generationen. Die wichtigste Voraussetzung dafür ist eine grundlegende Strategie, und die heißt bei uns immer schon Diversifizierung.
Unsere Kunden erwarten, dass wir uns mit ruhiger Hand, Disziplin und langem Atem um ihr Vermögen kümmern und dass wir intransparente Finanzprodukte bei Privatportfolios meiden. Auch wenn das vielleicht 'altbacken' erscheint: Das Vermögen über Ländergrenzen und Branchen zu diversifizieren, ist höchst anspruchsvoll – und gleichzeitig vollkommen transparent im Hinblick auf Performance, Transaktionskosten und Steuern. Mit dieser Art der Vermögensverwaltung fahren unsere Kunden und wir sehr gut, und bei diesem Konzept bleiben wir.
Fester Bestandteil dieser Strategie sind Aktieninvestments. Wieso gelingt es in Deutschland so schlecht, größere Bevölkerungsschichten von den Vorteilen der Aktie zu überzeugen?
In den 1990er Jahren war Deutschland tatsächlich schon einmal etwas weiter in Sachen Aktienkultur. Das Platzen der 'Dotcom-Blase' schreckte dann vor allem unerfahrene Investoren wieder ab. Heute ist die Situation aber ganz anders. Im ersten Halbjahr 2012 stieg die Zahl der Aktionäre wieder kräftig – um deutliche 1,5 Millionen; sie liegt nun – trotz anhaltender Krise – über dem Stand von vor 2007. Es spricht sich herum, dass man als Inflationsschutz Sachwerte, Substanzvermögen braucht – eben auch Aktien. Außerdem rechnet sich Unternehmertum langfristig besser, als Geld zu verleihen. Die Dividendenrenditen sind vergleichsweise hoch, und Staatsanleihen haben ihren Status als sicherer Hafen verloren. Die Anleger orientieren sich deshalb unter anderem an defensiven Aktientiteln.
In Amerika und auch in Deutschland werden Stimmen laut, die ein Trennbankensystem befürworten, um Kundeneinlagen vor Handelsrisiken zu schützen. Halten Sie das für sinnvoll? War nicht Lehman Brothers eine reine Investmentbank?
Die Lehman-Pleite hat die Probleme im gesamten, stark vernetzten System von Banken und anderen Finanzdienstleistern deutlich sichtbar gemacht. Man muss sich davor hüten zu glauben, es gäbe einfache Lösungen. Ob Universal- oder Trennbankensystem – es lässt sich nicht verhindern, dass ein Bankvorstand nicht doch Dinge tut, die er nicht tun soll.
Bei den Banken hat sich in den vergangenen fünf Jahren viel getan, und die Altlasten werden aufgearbeitet. Statt die Systemfrage zu stellen, sollte Fehlverhalten – das meist nichts mit der Organisationsform zu tun hat – stärker geahndet werden. Und bei den Regulierungsthemen sollte man sich aufs Grundsätzliche konzentrieren, zum Beispiel transparente Marktplätze verpflichtend machen.
Das Vertrauen der Bevölkerung in die Banken ist erschüttert: Sie bleiben in den Schlagzeilen – sei es durch Händler, die sich verspekulieren, sei es durch die Libor-Manipulation in England. Ärgert Sie das? Was wäre eine vertrauensbildende Maßnahme seitens der Banken?
Wer von 'den' Banken oder 'den' Märkten redet, macht es sich zu einfach. Eine pauschale Verurteilung der Branche ärgert mich tatsächlich, zumal die aktuellen Probleme ihren Ursprung in der Vergangenheit haben und auch die Ursachenzusammenhänge weit komplexer sind als oft dargestellt. Und ich finde es bedenklich, dass Übertreibungen zuweilen den Blick auf das Wesentliche verstellen.
Mit Sicherheit gibt es auch weiterhin Fehler oder Fehlverhalten von einzelnen Marktteilnehmern. Aber viele Institute haben ihre Geschäftsmodelle inzwischen angepasst – sie haben aus den Fehlern gelernt. Und was den Blick auf das Wesentliche im Zusammenhang mit der Finanzkrise betrifft: Einige Banken mussten gestützt werden, weil sie zu große Risiken eingegangen sind. Das beruht letztlich immer auf dem Fehlverhalten Einzelner. Ich halte deshalb eine persönliche Ethik im Bankgeschäft für den entscheidenden vertrauensbildenden Faktor, der sich nicht durch Regulierungsaktionismus ersetzen lässt.
Die Banken kaufen Staatsanleihen, um die Staaten zu finanzieren, und die Staaten finanzieren die Banken, um das Finanzsystem zu retten. Es sieht nicht so aus, als ob bei den Banken nach ihrer Systemrelevanz differenziert würde. Was wäre Ihr Vorschlag, um den europäischen Bankensektor zukunftsfest zu machen?
Um zu beurteilen, ob eine Bank zukunftsfest ist, bedarf es keiner komplizierten Analysen. Auch hier hilft der unverstellte Blick auf das Wesentliche:
Erstens brauchen Banken Kunden. Ohne Kunden am Markt zu agieren, ist kein Geschäftsmodell. Mit Geschäften, die keinen Nutzen stiften, mit reinen Finanzwetten und ohne Kunden haben Banken keine Existenzberechtigung. Zweitens brauchen Banken Eigenkapital. Die neu geplante Basel-Ill-Mindestquote von sieben Prozent scheint sicherer als die alte Quote von zwei Prozent. Aber auch die höhere Quote kann neue Krisen nicht verhindern, wenn Risiken nicht gesehen werden; Lehman Brothers beispielsweise wies vor dem Kollaps eine Kernkapitalquote von immerhin zwölf Prozent aus. Eigenkapital muss also mit Bilanzqualität und Bilanztransparenz unterlegt sein, damit die Kennzahlen wirklich aussagekräftig sind. Drittens brauchen Banken Liquidität. Das Kreditwesengesetz verpflichtet Banken, 'ihre Mittel so anzulegen, dass jederzeit eine ausreichende Zahlungsbereitschaft gewährleistet ist'. Diese Regel schien lange vergessen. Viertens und nicht zuletzt brauchen Banken Risiken – schließlich ist es eine ihrer wichtigsten Aufgaben, Risiken zu transferieren und handhabbar zu machen. Wenn das Banksystem, wenn die Transfermechanik der Märkte nicht funktioniert, dann funktionieren weder Wirtschaft noch Gesellschaft.