Deutsches Aktieninstitut e.V. / Schlagwort(e): Sonstiges
13.11.2012 / 09:00
Unternehmensfinanzierung im Umbruch
Politik muss nachvollziehbare Rahmenbedingungen schaffen
Dr. Christine Bortenlänger, Geschäftsführendes Vorstandsmitglied, Deutsches Aktieninstitut e.V.
'Unternehmensfinanzierung trotz Eurokrise stabil', 'Unternehmen in punkto Finanzierung gut aufgestellt' – so oder ähnlich lauteten die Schlagzeilen der Pressemitteilung von Wirtschaftsverbänden, die in den vergangenen Monaten die deutschen Unternehmen nach ihrer Finanzierungssituation befragt haben. Diese Botschaft ist mehr als erfreulich. Zeigt sie doch, dass den Unternehmen aufgrund ihrer positiven Geschäftszahlen der Zugang zur Finanzierung ihrer geplanten Projekte offensteht und die deutsche Wirtschaft weiterhin auf einem guten Weg ist.
Leider gestaltet sich in anderen Ländern Europas der Zugang der Unternehmen zu Kapital nicht so einfach wie bei uns. Banken in Schieflage und schlechte Wirtschaftszahlen erschweren es den Unternehmen in europäischen Nachbarländern, sich zu finanzieren. Die Finanzkrise und die sich daran anschließende Staatsschuldenkrise haben dafür gesorgt, dass die Wirtschaft in den sogenannten Peripheriestaaten aus dem Tritt geraten ist.
Politiker gefordert
Solange es nicht gelingt, diese Staaten wieder auf die Spur des wirtschaftlichen Erfolgs zu setzen, werden auch zusätzliche, noch größere Rettungsschirme und weitere Anleihekäufe der EZB nicht helfen, die Krise in diesen Ländern zu beenden. Die Politiker vor allem der Krisenstaaten sind deshalb gefordert, die Rahmenbedingungen in ihren Ländern so zu setzen, dass es den Unternehmen in diesen Staaten möglich ist, erfolgreich zu wirtschaften.
Obwohl sich die deutsche Wirtschaft in den letzten Jahren also hervorragend geschlagen hat, stellt die weiterhin virulente Staatsschuldenkrise aber auch für Deutschland und die deutschen Unternehmen eine Bedrohung ihrer Entwicklung, ihres Wachstums und letztlich auch ihrer Finanzierungsmöglichkeiten dar.
Wachsamkeit erforderlich
Damit die deutschen Unternehmen auch weiterhin Rahmenbedingungen vorfinden, die ein erfolgreiches Agieren ermöglichen, müssen die vielen regulatorischen Änderungen mit Wachsamkeit verfolgt werden. Im Zusammenhang mit der Unternehmensfinanzierung denke ich dabei vor allem an die Regelungen, die zum Zwecke der Stabilisierung der Finanzmärkte bereits beschlossen wurden bzw. noch überarbeitet werden, wie z.B. Basel III und Solvency II.
Zukünftige Krisen abfedern
Beide Vorhaben verfolgen ein durchaus nachvollziehbares und unterstützenswertes Ziel, nämlich dass Banken und Versicherungen mehr Eigenkapital vorhalten, um zukünftig Krisen mit eigenen Mitteln besser abfedern zu können. Wenn allerdings die Banken mehr Kernkapital vorhalten, bedingt das, dass sie nicht mehr in dem gleichen Umfang wie bisher Kredite ausgeben können. Dies wird aber im Zweifel bedeuten, dass es für Unternehmen schwieriger und teurer wird, sich über die Banken zu finanzieren. Daraus könnte eine stärkere Öffnung der Unternehmen für die Finanzierung über die Kapitalmärkte entstehen. Diese Entwicklung wäre aus meiner Sicht überaus zu begrüßen, da mehr Eigenkapital die Bonität der Unternehmen verbessert und sich damit letztlich auch die Kreditfinanzierung für Unternehmen günstiger gestaltet. Dass Unternehmen in Bezug auf ihre Finanzierung stärker diversifizieren, wurde bereits nach dem Zusammenbruch von Lehman Brothers deutlich, als man feststellen musste, dass in der Krise Finanzierungsmodalitäten deutlich rigider wurden und eine Finanzierung über die Kapitalmärkte an Attraktivität gewann.
Königsweg Börse
Wenn sich aber Unternehmen über den Kapitalmarkt finanzieren sollen, müssen auch hier die Rahmenbedingungen stimmen. Der Königsweg der Unternehmensfinanzierung ist immer noch der Weg an die Börse. Damit Unternehmen den Weg an die Börse beschreiten, muss es auch genügend Interessenten für die angebotenen Aktien geben. Auch wenn die Gruppe der Privatanleger nach unseren Zahlen im ersten Halbjahr 2012 erfreulicherweise wieder größer geworden ist, sind doch vor allem die institutionellen Investoren wie z.B. Versicherungen als Anleger gefragt. Wenn es jetzt nach Solvency II Pflicht wird, dass Versicherungen Investitionen in Aktien mit 40% Eigenkapital unterlegen, wird die Bereitschaft der Versicherungen, in Aktien zu investieren, eher noch sinken. Die geforderten 40% Eigenkapitalunterlegung für Aktien scheinen mir schon deshalb zweifelhaft, weil Solvency II weiterhin vorsieht, dass Staatsanleihen keinerlei Eigenkapitalunterlegung bedürfen!
Wir können es uns meines Erachtens nicht leisten, einer großen Gruppe institutioneller Investoren, wie den Versicherungen, die Anlage in Aktien weiter zu erschweren. Denn nach den Erfahrungen der Vergangenheit muss die Unternehmensfinanzierung auf eine breite Basis gestellt werden, und dafür brauchen wir einen funktionierenden Eigenkapitalmarkt mit finanzstarken Investoren.