Deutsches Aktieninstitut e.V.
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Deutsches Aktieninstitut e.V. / Schlagwort(e): Sonstiges Christoph Lammersdorf, Vorsitzender der Geschäftsführung, Boerse Stuttgart Holding GmbH ‘Zunehmende Konzentration der Börsen bietet Chancen für Stuttgart’ Uta-Bettina von Altenbockum, Finanzplatz Die Börse Stuttgart feiert in diesem Jahr das 150jährige Jubiläum des Stuttgarter Börsenvereins, dem Vorläufer der Stuttgarter Börse. Neben der Marktführerschaft bei verbrieften Derivaten und der Spezialisierung auf Privatanleger ist es der Börse Stuttgart im letzten Jahr gelungen, ein erfolgreiches Mittelstandsanleihensegment (Bondm) zu etablieren. Im Interview mit dem Finanzplatz spricht der Vorsitzende der Geschäftsführung Christoph Lammersdorf über Bondm, die Veränderungen in der deutschen und internationalen Börsenlandschaft und fordert, die Vermittlung von Finanzwissen in die Lehrpläne der Schulen aufzunehmen. Interview Herr Lammersdorf, wo soll die Börse Stuttgart vielleicht nicht in 150 Jahren, aber doch in 15 Jahren stehen? Wir haben uns in den vergangenen Jahren erfolgreich spezialisiert: Heute sind wir die Privatanlegerbörse in Deutschland. Wir bieten Privatanlegern Möglichkeiten, die ansonsten nur institutionellen Investoren vorbehalten sind. Darauf haben wir unsere Angebote und Services konsequent ausgerichtet. Vor diesem Hintergrund ist es unser Anspruch, auch in 15 Jahren der führende Handelsplatz für Privatanleger in Deutschland und in weiteren europäischen Ländern zu sein. Vor gut einem Jahr hat die Börse Stuttgart das Mittelstandssegment Bondm ins Leben gerufen. Obwohl das Segment grundsätzlich begrüßt worden ist, gibt es auch Kritik, weil der seriöse und vertrauenswürdige Begriff der ‘Mittelstandsanleihe’ verschleiere, dass es sich um hochspekulative Anleihen handelt. Neun der gelisteten 17 Anleihen haben ein Rating von BB+ und schlechter. Sind Privatanleger in der Lage, das mit den Anleihen verbundene Risiko realistisch einzuschätzen? Transparenz im Markt für Mittelstandsanleihen lässt sich nur durch Information herstellen. Genau hier setzen wir an. Unternehmen, die sich für die Aufnahme in das Handelssegment Bondm bewerben, verpflichten sich, ein über die normalen Regelungen des Freiverkehrs hinausgehendes Mindestmaß an fortlaufender Transparenz und Publizität gegenüber Investoren einzuhalten. Neben dem Wertpapierprospekt, einem testierten Jahresabschluss, Halbjahresberichten und dem Finanzkalender werden auch Quasi-Ad-hoc-Meldungen veröffentlicht. Auf der Website kann zudem eine Risikoeinschätzung in Form eines Ratings des Unternehmens und eines jährlichen Folgeratings eingesehen werden. Trotz all dieser Informationen bleibt dem Anleger allerdings nicht erspart, sich intensiv mit dem jeweiligen Unternehmen auseinanderzusetzen, um eine Entscheidung für oder gegen ein Investment zu tätigen. Privatanleger benutzen solche Anleihen insbesondere als Beimischung für ihr Depot, damit sind Anleihen kein Massenprodukt. Sie sind vor allem für gut informierte und erfahrene Anleger geeignet, die sich des Risikos bewusst sind. International hat ein Konsolidierungsprozess der Börsen eingesetzt, der schon einige prominente Zusammenschlüsse hervorgebracht hat. Der nächste Zusammenschluss wird voraussichtlich der von Euronext NYSE und Deutsche Börse AG sein. Was bedeutet das für die Börsenlandschaft in Deutschland? Welche Chancen eröffnet dieser Zusammenschluss für die Börse Stuttgart? In der zunehmenden Konzentration der Börsenlandschaft in den kommenden Jahren sehe ich eine große strategische Chance für unseren Handelsplatz. Denn wenn die Bälle immer größer werden, dann bleibt zwischen ihnen mehr Platz für die kleinen Bälle. Zu unseren Stärken zählen die Betreuung von Privatanlegern und der Handel mit weniger liquiden Werten. Wenn man sich als Börsenplatz auf Privatanleger spezialisiert, braucht es auch die regionale Nähe – sowohl zu den Emittenten von Wertpapieren, die für Privatanleger geeignet sind, als auch zu den privaten Anlegern selbst. Stuttgart ist hier am weitesten vorangekommen. Wir haben die technologischen Fähigkeiten und sind groß genug, um viele Privatanleger zu erreichen. Mit einem Jahresumsatz von rund 100 Mrd. EUR ist die Börse Stuttgart der zweitgrößte Handelsplatz in Deutschland, europaweit liegt die Börse Stuttgart nach der Fusion der NYSE Euronext und der Deutschen Börse aktuell auf Rang acht und damit vor Hauptstadtbörsen wie Wien oder Warschau. Deutschland leistet sich im Gegensatz zu seinen europäischen Nachbarn eine Vielzahl von Börsen. Wie sehen Sie die Perspektiven der Regionalbörsen in diesem Umfeld in Zukunft? Angesichts der unterschiedlichen Bedürfnisse von institutionellen und privaten Investoren sollten wir intensiv darüber nachdenken, ob man die Strukturen nicht so entwickeln kann, dass im Wesentlichen zwei Börsenorganisationen für den klassischen Wertpapierhandel in Deutschland entstehen. Eine für den internationalen und institutionellen Handel mit liquiden Werten und eine für den Privatanlegerhandel in allen Produkten und die Betreuung der wenig und nicht liquiden Werte. Für kleinere Börsen gibt es letztendlich nur eine Überlebensstrategie: die Spezialisierung. Wer kein eindeutiges Profil hat, wird irgendwann von der Bildfläche verschwinden. Ein klassischer Handelsplatz als Geschäftsmodell reicht langfristig nicht aus. Innovationen sind daher gefragt. Trotz einer langfristig attraktiven Durchschnittsrendite von Aktien halten sich immer mehr Privatanleger vom Aktienmarkt fern. Was müsste Ihrer Meinung nach getan werden, damit wieder mehr Privatanleger in Aktien anlegen? Die Zahl der Aktionäre sinkt doch auch deshalb, weil die Privatanleger zunehmend in neue – auf dem Aktienmarkt aufbauende – Instrumente investieren können. Viele Anleger sind lieber in Fonds, in Zertifikaten und in Unternehmensanleihen aktiv. Es gibt aber noch einen anderen Aspekt, der uns als Börse Stuttgart am Herzen liegt: Die deutschen Privatanleger müssen sich intensiver mit ihren Geldanlagen beschäftigen. Mit dem Thema Finanzen kann man deshalb gar nicht früh genug beginnen. Daher fordert die Börse Stuttgart, dass die Vermittlung von Finanzwissen fest in die Lehrpläne für das Unterrichtsfach Wirtschaft an allen weiterbildenden Schulen aufgenommen wird. Nach einer Studie von BVI und McKinsey ist die Bereitschaft institutioneller Investoren in Deutschland, sich bei IPOs finanziell zu engagieren, gering. Kapitalknappheit und Misstrauen gegenüber den Börsenneulingen werden als Grund genannt. Warum sollte ein deutsches Unternehmen heute überhaupt noch den Gang an die Börse wagen, wenn institutionelle Anleger in Deutschland doch nur abwinken? Grundsätzlich können Unternehmen mit Hilfe des Kapitalmarkts ihre Finanzierungsbasis verbreitern – mit Blick auf institutionelle wie private Investoren. Nicht zuletzt deshalb drängt auch die Europäische Kommission zurzeit die europäischen Börsenorganisationen, die Möglichkeiten für kleine und mittlere Unternehmen zur Nutzung des Kapitalmarktes zu verbessern. Sicher sind dazu noch einige Entwicklungsschritte notwendig. Der Weg an den Kapitalmarkt führt allerdings nicht zwangsläufig und ausschließlich über IPOs. Auch das IBO, also das Initial Bond Offering, kann ein erster Schritt sein. Denn IBOs helfen, das Vertrauen in die Leistungsfähigkeit der Unternehmen zu steigern und diese für den Kapitalmarkt attraktiv zu machen. Ende der Corporate News 05.09.2011 Veröffentlichung einer Corporate News/Finanznachricht, übermittelt durch die DGAP – ein Unternehmen der EquityStory AG. Für den Inhalt der Mitteilung ist der Emittent / Herausgeber verantwortlich. Die DGAP Distributionsservices umfassen gesetzliche Meldepflichten, Corporate News/Finanznachrichten und Pressemitteilungen. Medienarchiv unter http://www.dgap-medientreff.de und http://www.dgap.de |
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