Deutsches Aktieninstitut e.V.
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Deutsches Aktieninstitut e.V. / Schlagwort(e): Sonstiges Steffen Kampeter, MdB, Parlamentarischer Staatssekretär, Bundesministerium der Finanzen 'Wir müssen den Weg einer weiteren Integration gehen' Uta-Bettina von Altenbockum, Finanzplatz Die Schuldenkrise der europäischen Staaten hält die Finanzmärkte nach wie vor in Atmen. Staaten in aller Welt sprechen Deutschland eine Schlüsselrolle in der Stabilisierung des Euros zu. Der Finanzplatz sprach mit dem Parlamentarischen Staatssekretär im Bundesfinanzministerium Steffen Kampeter über den europäischen Rettungsschirm, die Rolle Deutschlands und Frankreichs innerhalb der Europäischen Union und die Diskussion zur Rekapitalisierung der Banken. Interview Herr Kampeter, seit 2009 sind Sie Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesfinanzministerium. Bedauern Sie es manchmal, dass Sie gerade in diesen turbulenten Zeiten dieses Amt übernommen haben? Nein, ganz im Gegenteil. Natürlich ist das Amt fordernd, aber es macht mir große Freude. Schwierigen Aufgaben habe ich mich schon immer gerne gestellt. Ich nehme diese Herausforderung gerne an, auch in turbulenten Zeiten. Das Bundesverfassungsgericht hat unter der Voraussetzung der stärkeren Einbindung des Parlaments den EU-Rettungsschirm und die Hilfen an Griechenland gebilligt. Die neuen Beteiligungsrechte des Parlaments sind in den Gesetzentwurf zur Erweiterung des Rettungsschirms eingearbeitet worden. Halten Sie diese für ausreichend? Was halten Sie von der Forderung nach mehr Mitsprache der Länder? Der Bundestag erhält umfassende Beteiligungsrechte, die über die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtsurteils sogar hinausgehen. Auch für den Bundesrat wurde eine Regelung getroffen. Die jetzt vorgesehene gesetzliche Regelung sagt, dass die Bundesregierung den Bundesrat schriftlich zu unterrichten hat. Die Einzelheiten dieser Unterrichtung werden in einer Bund-Länder-Vereinbarung festgehalten, die in Kürze unterzeichnet werden kann. Ich verstehe das Bedürfnis der Länder, in Sachen des EFSF eingebunden zu werden. Deutschland und Frankreich haben die Gründung einer 'echten, europäischen Wirtschaftsregierung' angekündigt, die sich mindestens zwei Mal im Jahr zur Abstimmung wirtschaftspolitischer Entscheidungen treffen soll. Können verfassungsrechtlich gesehen überhaupt die notwendigen Kompetenzen auf eine europäische Wirtschaftregierung übertragen werden? Wenn nicht, was kann dann eine solche Wirtschaftsregierung überhaupt ausrichten? Es geht um ein echtes Mehr an europäischer Integration, also um eine engere, verstärkte und intensivierte Steuerung der Finanz- und Wirtschaftspolitik innerhalb der Eurozone. Hierzu haben wir bereits wichtige Maßnahmen beschlossen: einen umfassend reformierten Stabilitäts- und Wachstumspakt mit einer verstärkten haushalts-, finanz- und wirtschaftspolitischen Überwachung sowie früheren, wirksameren und quasiautomatischen Sanktionen, eine stärkere Abstimmung der europäischen Haushaltspolitik durch das sog. 'Europäische Semester' und den Euro-Plus Pakt mit dem besonderen Schwerpunkt Wettbewerbsfähigkeit. Weitere Maßnahmen zur Verbesserung der Struktur und der Fähigkeit der Eurozone, Krisen besser zu managen, wurden auf Vorschlag Deutschlands und Frankreichs von den Staats- und Regierungschefs der Eurozone Ende Oktober beschlossen: Hierzu zählt u.a. die Einführung von Schuldenbremsen im jeweiligen nationalen Recht und die Stärkung der Strukturen in der Eurogruppe. Dazu bedarf es weder einer Änderung der Europäischen Verträge noch unseres Grundgesetzes. Darüber hinaus müssen wir aber auch den Weg einer weiteren Integration gehen und der bereits seit Maastricht vergemeinschafteten Geldpolitik eine vergemeinschaftete Finanzpolitik an die Seite stellen. Beide Länder treten auch für eine globale oder zumindest europaweite Finanztransaktionssteuer ein, die zum einen den Finanzsektor an den Kosten der Finanzkrise beteiligen soll und zum anderen die ökonomische Effizienz steigern. Würde die Transaktionssteuer dem Kapitalmarkt nicht eher dringend benötigte Liquidität entziehen, seine Schwankungsanfälligkeit erhöhen und damit seine Effizienz deutlich beeinträchtigen? Durch die Einbeziehung aller Finanzprodukte und die Ausgestaltung mit einer breiten Bemessungsgrundlage sowie einem möglichst niedrigen Steuersatz wird die steuerliche Belastung durch die Einführung einer Transaktionssteuer für die einzelne Finanztransaktion gering gehalten. Ausweichreaktionen werden vermindert. Mögliche geringe Liquiditätsentzüge sollten funktionierende Märkte ohne weiteres verkraften können. Die 2010 eingeführte European Financial Stability Facility (EFSF) wird nach Zustimmung der nationalen Parlamente der Euroländer zukünftig auch Ländern, die in finanziellen Schwierigkeiten stecken, vorsorglich Kredite zur Verfügung stellen, Staatsanleihen von Krisenländern kaufen und Banken im Euroraum rekapitalisieren können. Reicht die Finanzausstattung des EFSF hierfür aus? Ist die Machtfülle verantwortbar? Mit den neuen Instrumenten können die Mittel der EFSF künftig flexibler, problemadäquater und effizienter zum Einsatz gebracht werden und damit helfen, Ansteckungsgefahren zu vermeiden: Wenn z.B. bereits die Bereitstellung einer vorsorglichen Kreditlinie ausreicht, um schwindendes Vertrauen der Finanzmärkte in einen Mitgliedstaat abzusichern, verbraucht das deutlich weniger Ressourcen, als wenn man einen Mitgliedstaat vollständig vom Markt nimmt. Wichtig ist, dass die betreffenden Mitgliedstaaten ihrerseits glaubwürdige und nachhaltige Maßnahmen ergreifen, um das Vertrauen zu stabilisieren und Ansteckungseffekte zu bekämpfen. Die Finanzhilfen werden auch weiterhin nur unter strikten Auflagen gewährt. Auf europäischer Ebene wird über mögliche Hebelwirkungen des EFSF diskutiert. Was wäre darunter zu verstehen? Handelt es sich dabei nicht um eine indirekte Aufstockung des EFSF, allerdings ohne jegliche parlamentarische Kontrolle? Durch den geänderten Rahmenvertrag wird die vollständige Ausnutzung der Ausleihkapazität der EFSF zur Finanzierung von Notmaßnahmen in Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets von 440 Mrd. Euro sichergestellt. Das zur Verfügung stehende Finanzvolumen soll möglichst effektiv eingesetzt werden kann. Dazu haben die die Staats- und Regierungschefs zwei Optionen beschlossen, deren konkrete Ausgestaltung nun weiter mit Investoren und Ratingagenturen erörtert werden muss. Das als so genannte Versicherungslösung bekannte erste Modell bedeutet, dass Investoren optional eine teilweise Absicherung des Kaufs von neuen Anleihen der Mitgliedstaaten durch die EFSF bereitgestellt wird. Das zweite Modell bewirkt wirtschaftlich ebenfalls eine öffentliche Teilabsicherung, allerdings technisch anders: Hier würden Gelder der EFSF und weiterer öffentlicher und privater Investoren mittels einer oder mehrerer Zweckgesellschaften dem Hilfe empfangenen Staat geliehen. So soll eine breite Klasse internationaler öffentlicher und privater Investoren gewonnen werden. Dabei ist klar: Die Bundesregierung wird in allen die EFSF betreffenden Angelegenheiten den Bundestag entsprechend den Vorgaben des StabMechG beteiligen. Bereits im Mai 2010 hat Bundesfinanzminister Schäuble ein Insolvenzverfahren für Staaten gefordert. Warum gibt es auf europäischer Ebene noch kein solches Verfahren? Wo liegen die Probleme? Wenn ein Mitgliedstaat des Euroraums in die Situation einer Zahlungsunfähigkeit kommen sollte, wird mit der ab 2013 geplanten Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM über sogenannte 'Umschuldungsklauseln', die in allen ab 2013 zu begebenden Staatsanleihen verankert sein müssen) ein Verfahren etabliert, welches eine Art 'geordnete Insolvenz' zuverlässig regelt: Kann ein makroökonomisches Anpassungsprogramm die Staatsverschuldung nicht auf ein langfristig tragbares Niveau zurückführen ('Solvenzfall'), muss der betreffende Mitgliedstaat zwingend mit seinen Gläubigern Verhandlungen aufnehmen. Die Gewährung von weiteren Finanzhilfen wird dann davon abhängig gemacht, dass der Mitgliedstaat über einen glaubwürdigen Plan verfügt, um angemessene und verhältnismäßige Beteiligung des Privatsektors sicherzustellen. Wenn das Problem einer Staatsinsolvenz Griechenlands der berühmte Dominoeffekt und letztlich die Auswirkung desselben auf die europäischen Banken ist, warum wurde dann der Vorschlag der Präsidentin des IWF, Christine Lagarde, zur Kapitalisierung der Banken so heftig kritisiert? Wäre die Kapitalisierung der Banken im Gegensatz zur weiteren Finanzierung der griechischen Schulden nicht die billigere und ordnungspolitisch die sauberere Lösung? Robuste Banken zur Reduzierung der Gefahr negativer Rückkopplungseffekte und einer stabilen Kreditversorgung sind wichtig. Die Kapitalstärkung von Banken wurde daher auf europäischer Ebene intensiv diskutiert. Auf dem Euro-Gipfel Ende Oktober hat man sich verständigt, dass die Banken ihr hartes Kernkapital bis zum 30. Juni 2012 auf 9% aufstocken müssen. Dabei obliegt es vorrangig den Banken selbst, sich durch eigene Anstrengung um eine ausreichende Kapitalisierung über die Kapitalmärkte zu bemühen. Der Rückgriff auf staatliche Hilfe kann immer nur letztes Mittel sein. Die neuen Instrumente, mit denen die European Financial Stability Facility (EFSF) ausgestattet werden soll, werden eine gezielte Stärkung der Kapitalbasis bei Banken auch in solchen Ländern ermöglichen, die nicht mehr selbst in der Lage sind, hierfür die staatlichen Ressourcen aufzubringen. Ein dauerhaft wirksamer Durchbruch zur Eindämmung der Ansteckungsrisiken dürfte nur gelingen, wenn man bei den staatlichen Risiken ansetzt und die fundamentalen Probleme nachhaltiger Wirtschafts- und Finanzpolitik in einigen Mitgliedstaaten glaubwürdig löst. Im Gegensatz zu Griechenland hat Deutschland die Rezession schon nach wenigen Quartalen hinter sich lassen können und in den letzten zwei Jahren eine Art zweites Wirtschaftswunder erlebt. Doch obwohl die Steuereinnahmen sprudeln, ist es Deutschland nicht gelungen, einen ausgeglichenen Haushalt 2011 vorzulegen. Warum kommt der ausgeglichene Haushalt erst 2014? Ist das Erreichen dieses Zieles angesichts der sich abschwächenden Konjunktur überhaupt noch realistisch? Bereits in diesem Jahr – und damit zwei Jahre früher als von der EU gefordert – werden wir die 3%-Defizitgrenze des europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakts deutlich unterschreiten. Diesen Weg der nachhaltigen Rückführung der Verschuldung werden wir in den nächsten Jahren konsequent fortführen. Damit können wir bei unseren realistischen Wachstumsannahmen mittelfristig auch einen ausgeglichenen Staatshaushalt erreichen und die verfassungsrechtliche Schuldenbremse im Bundeshaushalt glaubwürdig einhalten. In Deutschland ist vor allem der Landesbankensektor durch die Finanzkrise ins Trudeln geraten. Wird nach der Zerschlagung der WestLB die Konsolidierung in diesem Bereich weitergehen? Die derzeit von der Helaba erwogene Übernahme von Unternehmensteilen der WestLB würde den Kreis der Träger der Helaba um die Sparkassenverbände in Nordrhein-Westfalen erweitern und damit das sog. Sparkassen-Verbundgeschäft der Helaba stärken. Dies wäre ein bedeutender Schritt hin zu einer weiteren Konsolidierung des Landesbankensektors mit Vorbildcharakter. Darüber hinaus ist absehbar, dass die von der EU Kommission bereits getroffenen und noch ausstehenden Entscheidungen in den verschiedenen Beihilfeverfahren in diesem Bereich eine weitere Konsolidierung bewirken werden. Herr Kampeter, bei all den Querelen und Schwierigkeiten: Sehen Sie die Europäische Union in der Bevölkerung überhaupt noch richtig verankert? Ja, da bin ich optimistisch. Die Europäische Union hat einen spürbaren und wachsenden Einfluss auf den Alltag der Bevölkerung – angefangen beim Euro über das freie Reisen und die Freiheit bei der Wahl des Wohn-, Ausbildungs-, Studien- und Arbeitsorts bis hin zu der Bedeutung, die die Welt dem geeinigten Kontinent zumisst, die ein kleiner europäischer Einzelstaat nicht mehr erwarten könnte. Ich denke, dass die Bevölkerung die Bedeutung der Europäischen Union erkennt und diese als wichtigen Faktor für Wettbewerbsfähigkeit und Wohlstand akzeptiert. Es ist nun die Aufgabe der Regierungen und der Europäischen Union, ihren Bürgern durch transparentes Arbeiten und stärkeres Mitbestimmungsrecht Vertrauen zu vermitteln. Ende der Corporate News 09.11.2011 Veröffentlichung einer Corporate News/Finanznachricht, übermittelt durch die DGAP – ein Unternehmen der EquityStory AG. Für den Inhalt der Mitteilung ist der Emittent / Herausgeber verantwortlich. Die DGAP Distributionsservices umfassen gesetzliche Meldepflichten, Corporate News/Finanznachrichten und Pressemitteilungen. Medienarchiv unter http://www.dgap-medientreff.de und http://www.dgap.de |
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