Noerr LLP
Noerr LLP: Aufsichtsrat in der Praxis nur selten an internen Ermittlungen beteiligt – Compliance-Studie von Noerr und EBS Law School
Aufsichtsrat in der Praxis nur selten an internen Ermittlungen beteiligt – Compliance-Studie von Noerr und EBS Law School Frankfurt, 24. September 2019. Leitet ein Unternehmen interne Ermittlungen ein, ist diese Entscheidung Chefsache. Das geht aus der “Internal Investigations – Compliance-Studie 2019” der Kanzlei Noerr und des Center for Corporate Compliance der EBS Law School hervor. Der Aufsichtsrat wird demgegenüber nur selten in die Ermittlungen eingebunden. Auslöser für interne Ermittlungen sind meist Vermögensdelikte, häufig auch Verstöße gegen interne Compliance-Regelungen, Datenschutzvorschriften und das Kapitalmarktrecht. Die Noerr-Partnerin Dr. Sophia Habbe stellt die Studie zusammen mit dem Noerr-Partner Dr. Christian Pelz und Prof. Dr. Michael Nietsch von der EBS Law School auf dem heutigen Noerr Compliance Day in Frankfurt vor. Mit dem Gesetz zur Bekämpfung der Unternehmenskriminalität, das derzeit in der Fassung des Referentenentwurfs vom 15. August 2019 vorliegt (“Verbandssanktionsgesetz”), sieht der Gesetzgeber erstmals Regelungen zu Internal Investigations vor. Vor dem Hintergrund dieses mit Spannung erwarteten Gesetzentwurfs haben die Studienautoren gefragt, in welchen Fällen Unternehmen interne Ermittlungen einleiten, wer darüber entscheidet, wie die Ermittlungen durchgeführt werden und wann externe Berater hinzugezogen werden. Insgesamt wurden im Sommer 2019 Interviews mit 300 Entscheidern aus Unternehmen ab 250 Mitarbeitern geführt. Einleitung von internen Ermittlungen ist Leitungsaufgabe Eingeleitet werden interne Ermittlungen meist von der Unternehmensführung (52%), in geringerem Maße auch von Compliance-Abteilungen (23%). In 70% der Unternehmen ist die oberste Leitungsebene in die Entscheidung über die Durchführung von internen Ermittlungen zumindest eingebunden. “Internal Investigations sind ein Leitungsthema, bei dem Vorstände und Geschäftsführer sich nicht wegducken dürfen”, sagt Dr. Sophia Habbe, Partnerin am Frankfurter Standort von Noerr. Die Co-Leiterin der Noerr Praxisgruppe Compliance & Internal Investigations weist darauf hin, dass die Unternehmensleitung für die Einhaltung rechtlicher Vorgaben sorgen und Mängel in der Unternehmensorganisation beheben muss, die Regelverstöße begünstigen. “Ob Organisationsdefizite vorliegen, lässt sich aber nur durch eine sorgfältige Aufklärung des Sachverhalts feststellen. Häufig reicht es nicht aus, sich ausschließlich mit dem vermeintlichen Regelverstoß alleine zu befassen.” Aufsichtsrat muss sich über interne Ermittlungen ein eigenes Bild machen Deutlich seltener als die Geschäftsleitung ist der Aufsichtsrat in interne Ermittlungen involviert. So berichten die Befragten, dass das Kontrollgremium grundsätzlich nur in 37% der Unternehmen im Vorfeld über die Durchführung von Internal Investigations informiert wird. Besteht der Verdacht auf schwerwiegende Pflichtverletzungen, sind es 46%, beim Verdacht auf Beteiligung von Mitgliedern der Geschäftsleitung an Pflichtverstößen wird der Aufsichtsrat in 64% der Unternehmen informiert. “Die geringe Einbindung des Aufsichtsrats ist erstaunlich, da ihm als Überwachungsorgan der Geschäftsleitung gesellschaftsrechtlich eine besondere Bedeutung zukommt, wenn im Raum steht, dass es zu Compliance-Vorfällen gekommen ist”, betont Sophia Habbe. Der Aufsichtsrat könne seiner Rolle als Kontrollorgan nur gerecht werden, wenn er sicherstelle, dass er entsprechende Informationen erhalte, um sich selbst ein Bild über den Stand der internen Ermittlungen zu machen. Stehe der Vorwurf im Raum, dass die Geschäftsleitung bzw. der Vorstand an Compliance-relevanten Verstößen beteiligt sind, sei der Aufsichtsrat verpflichtet, selbst tätig zu werden und eine eigene Untersuchung einzuleiten. Mit Verbandssanktionsgesetz gewinnen interne Ermittlungen an Bedeutung Mit der Einführung eines Unternehmensstrafrechts gewinnen interne Ermittlungen für Geschäftsleitung und Aufsichtsrat noch an Relevanz, da der Gesetzgeber Anreize zum Ausbau von Compliance-Management-Systemen und für Internal Investigations gleichermaßen setzt. “Unternehmen dürfen auf Strafmilderung oder sogar auf Straferlass hoffen, wenn sie über ein funktionsfähiges Compliance-Management-Systemen verfügen oder den Sachverhalt durch interne Untersuchungen aufklären und die Ergebnisse mit den Behörden teilen”, betont der Noerr-Partner und Strafrechtsexperte Dr. Christian Pelz. “Mit der Einführung eines Unternehmensstrafrechts wird die Zahl der Ermittlungsverfahren zugleich sprunghaft ansteigen”, sagt Sophia Habbe. Ob ein Verfahren gegen ein Unternehmen eingeleitet wird oder nicht, steht nach dem Gesetzentwurf nicht im Ermessen der Staatsanwaltschaften. “Liegen hinreichend Anhaltspunkte dafür vor, dass eine Straftat einem Unternehmen zugerechnet werden kann, muss ermittelt werden.” “Das neue Unternehmenssanktionenrecht soll dem Schutz der sich rechtstreu verhaltenden Unternehmen dienen”, sagt Dr. Matthias Korte. Der Ministerialdirigent im Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz stellt den Gesetzentwurf auf dem Compliance Day vor. Er betont: “Sanktionen müssen deshalb in einer Höhe verhängt werden können, die Unternehmen motiviert, Straftaten im eigenen Bereich zu verhindern. Mit der Einführung des Legalitätsprinzips wird sichergestellt, dass es künftig nicht mehr vom Sitz eines Unternehmens abhängt, ob überhaupt Verfahren geführt werden. Für Unternehmen schafft das Gesetz Rechtssicherheit durch klare Verfahrensregelungen und Regelungen über die Berücksichtigung von Compliance und Internal Investigations.” Nach den Ergebnissen der Studie werden interne Ermittlungen praktisch immer eingeleitet, wenn der Verdacht besteht, dass Mitarbeiter in die eigene Tasche wirtschaften, sowie beim Verdacht auf Korruption und Bestechung (jeweils 92%). Besonders häufig wird auch ermittelt, wenn es möglicherweise zu Verstößen gegen Compliance-Regeln (86%) oder zu Straftaten (83%) gekommen ist, sowie beim Verdacht auf Verstöße gegen datenschutzrechtliche Vorschriften (81%). Auch bei möglichen Verstößen gegen kapitalmarktrechtliche Vorgaben leiten die meisten Unternehmen Ermittlungen ein (61%). “Aus unserer Vorjahresstudie zum Krisenmanagement wissen wir, dass viele Unternehmen aufgrund der komplexer werdenden Regulierung hier sehr große Compliance-Risiken sehen”, sagt Sophia Habbe. Dies betrifft insbesondere die unbefugte Weitergabe von Insiderinformationen, die Nichtbeachtung von aufsichtsrechtlichen Verlautbarungen oder Fehler bei Ad-hoc-Mitteilungen. Externe Ermittler klären komplexe Sachverhalte auf Zu den Ermittlungen werden häufig externe Berater hinzugezogen. Dies gilt meist, wenn der aufzuklärende Sachverhalt besonders komplex ist (64%), wenn die Geschäftsführung von den Vorwürfen betroffen ist (51%) oder es um mögliche Straftaten geht (50%). Zugleich legen 72% der Befragten großen Wert auf den Schutz der Vertraulichkeit von Erkenntnissen und Quellen aus einer internen Untersuchung. Ein “Legal Privilege” können aber nur externe Berater sichern. Der Noerr Compliance Day ist eine etablierte Fachkonferenz für Experten aus dem In- und Ausland. Moderiert wird sie von Dr. Sophia Habbe und Dr. Torsten Fett, die gemeinsam die Praxisgruppe Compliance & Internal Investigations der Kanzlei Noerr leiten, sowie von Prof. Dr. Thomas Klindt, Noerr-Partner und Mitherausgeber der Zeitschrift für Corporate Compliance (CCZ). Die “Internal Investigations – Compliance-Studie 2019” steht hier zum Download bereit. Noerr ist Exzellenz und unternehmerisches Denken. Mit Teams aus starken Persönlichkeiten findet Noerr Lösungen für komplexe und anspruchsvolle Fragestellungen. Vereint durch gemeinsame Werte, haben die über 500 Berater immer das gemeinsame Ziel vor Augen: den Erfolg der Mandanten. Deshalb ist Noerr als eine führende europäische Wirtschaftskanzlei auch international bestens aufgestellt: mit Büros in elf Ländern und einem weltweiten Netzwerk an befreundeten Top-Kanzleien. Matthias Schulte Ende der Pressemitteilung Emittent/Herausgeber: Noerr LLP Schlagwort(e): Unternehmen
24.09.2019 Veröffentlichung einer Pressemitteilung, übermittelt durch DGAP – ein Service der EQS Group AG. |