In seiner jetzigen Form wird das Gesetz seinem Namen und seinem Anspruch nicht gerecht.
Berlin, 10.11.2014 – Die Orthopäden und Unfallchirurgen üben scharfe Kritik an dem Entwurf zum Gesetz zur Stärkung der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Versorgungsstärkungsgesetz – GKV-VSG): “Der Entwurf stärkt nicht die Versorgung, sondern schwächt sie.” kritisiert Dr. Johannes Flechtenmacher, Präsident des Berufsverbandes für Orthopädie und Unfallchirurgie (BVOU). “Die größten Verlierer sind die niedergelassenen Fachärzte. Auch die wohnortnahe fachärztliche Versorgung ist gefährdet. Eine Verschlechterung der Patientenversorgung wird billigend in Kauf genommen.” so Flechtenmacher weiter. Der BVOU fordert die politisch Verantwortlichen auf, sich für den Erhalt der freien Arztwahl und der wohnortnahen fachärztlichen Versorgung einzusetzen.
Praxisaufkauf und Terminservicestellen – ein schlechtes Tandem
Der BVOU warnt davor, die wohnortnahe ambulante Patientenversorgung im Bereich der Orthopädie und der Unfallchirurgie durch den Aufkauf von Arztsitzen zu gefährden. Die gute Versorgungssituation in Deutschland beruht nicht nur auf den hervorragenden medizinischen Leistungen, sondern auch auf der räumlichen Nähe zwischen Facharzt und Patient. Diese Nähe zeichnet das Gesundheitssystem in der Bundesrepublik aus. Die Politik, so der BVOU, breche hier willkürlich ein Stück Versorgungssicherheit aus dem deutschen Gesundheitssystem heraus. Welche Auswirkungen das hätte, zeigt ein Rechenbeispiel für das Land Baden-Württemberg. Würde das Gesetz in seiner jetzigen Form in Kraft treten, müssten sich eine Million gesetzliche Versicherte einen neuen Arzt suchen. Rund 2.800 Arztsitze wären gefährdet (Ärzte Zeitung, 03.11.2014).
Außerdem wäre mit einer künstlich erzeugten Terminnot zu rechnen. Weniger Praxen bedeuten nämlich auch weniger Termine beim Facharzt. Die von der Politik geforderten Terminservicestellen würden daher nur den Mangel verwalten und die Patienten auf lange Versorgungswege schicken. Und: Der Termin bei “irgendeinem Arzt” verdrängt den bewährten “Termin bei meinem Arzt” – die Arzt-Patientenbindung würde gelöst: “Damit wäre auch das bewährte Prinzip der freien Arztwahl Geschichte.” kritisiert Johannes Flechtenmacher.
Sektionierung im KV-System
Auf Ablehnung des BVOU stößt auch die Sektionierung in ein haus- und ein fachärztliches Abstimmungslager: “Eigentlich sollte die Sektionierung zwischen Fach-und Hausärzten überwunden werden.” sagt der BVOU-Präsident. “Hier wird sie eingeführt. Damit macht die Politik ein gutes Versorgungsmanagement zwischen Haus- und Fachärzten sowie den Kliniken unmöglich.” so Flechtenmacher weiter.
Praxisnetze
Auch den guten Ansatz Praxisnetze zu fördern, kassiert das Gesetz gleich wieder ein. Die überfällige Förderung soll aus der morbiditätsorientierten Gesamtvergütung kommen. “Bei einer solchen Situation werden die Verteilungskämpfe zwischen den Ärzten, die an den Netzen teilnehmen und solchen, die nicht daran teilnehmen, nicht lange auf sich warten lassen. Eine gute Versorgungsebene wird so unnötig geschwächt.” gibt Flechtenmacher zu bedenken.
Medizinische Versorgungszentren
Auf Ablehnung des BVOU stößt auch die zu erwartende Wettbewerbsverzerrung durch die Gründung von Medizinische Versorgungszentren durch Kommunen, die trotz der angespannten Haushaltslage die finanziellen Mittel dazu haben. Das ist ein klarer Wettbewerbsnachteil für die freiberuflich tätigen (Fach)Ärzte.
Klarheiten beseitigt: Paragraphen 73a und 73c kassiert
Der Gesetzentwurf sieht vor, die Paragraphen 73a (Strukturverträge) und 73c (Besondere ambulante ärztliche Versorgung) aufzuheben und unter § 140a zusammenzufassen. Dieser Paragraph heißt bislang “Integrierte Versorgung” und soll künftig “Besondere Versorgung” hießen. Diese Umstellung wertet fachärztliche Selektivverträge im Sinne des bisherigen § 73c SGB V schon alleine durch den Wegfall einer eigenständigen Normierung im SGB V deutlich ab. Wenn der Hintergrund dieser Änderung die Systematisierung der Direktverträge mit den Krankenkassen sein soll, müsste erklärt werden, warum nur der bisherige § 73c betroffen ist, nicht aber § 73b. Paragraph 73c bezieht sich auf Fachärzte, 73b auf Hausärzte.
“Es ist nicht nachvollziehbar, warum ein wichtiges Instrument, mit dem Kassen und Ärzte gemeinsam Versorgungsalternativen im fachärztlichen Bereich gestalten und die Patientenversorgung verbessern, nicht mehr definiert sein soll.” so Johannes Flechtenmacher, der in Karlsruhe als Orthopäde und Unfallchirurg niedergelassen ist.
Einladung zur Pressekonferenzam Donnerstag, den 27.11.2014, 10:30 Uhr, in Berlin,
Tagungszentrum der Bundespressekonferenz, Raum I, II, III, Schiffbauerdamm 40, 10117 Berlin.
“Versorgungsstärkungsgesetz – Wird die Versorgung der Bürger wirklich gestärkt?” Zweitmeinung, Wartzeiten, Krankenhäuser – “Eine Mogelpackung soll zum Gesetz werden!”
Verantwortlich (Vi.S.d.P.)
Dr. med. Johannes Flechtenmacher,
Präsident des Berufsverbandes für Orthopädie und Unfallchirurgie
praesident@bvou.net,
Fon 030 797 444 44