Deutsches Aktieninstitut e.V.
Deutsches Aktieninstitut e.V.: Finanzplatz-Interview: Werner Baumann, Finanzvorstand, Bayer AG
Deutsches Aktieninstitut e.V. / Schlagwort(e): Sonstiges Werner Baumann, Finanzvorstand, Bayer AG 'Leitzinsanhebung durch die EZB auch als Zeichen politischer Unabhängigkeit wichtig' Uta-Bettina von Altenbockum, Finanzplatz Seit 1988 arbeitet Werner Baumann bereits im Bayer-Konzern. Nach vielen verschiedenen Stationen innerhalb des Konzerns und Aufenthalten in Spanien und den USA wurde er Anfang 2010 als Finanzvorstand in die Konzernspitze berufen. Wie er die konjunkturelle Entwicklung beurteilt, welche Bedeutung das Thema Nachhaltigkeit für Bayer hat und wie die grüne Gentechnik helfen kann, die Ernährung der Weltbevölkerung sicherzustellen, erläutert er in einem Interview mit dem Finanzplatz. Interview Herr Baumann, im Februar hat Bayer eine Pilotanlage zur Produktion hochwertiger Kunststoffe unter Einsatz von Kohlendioxid in Betrieb genommen. Zugrunde liegt dem Ganzen ein Projekt mit dem schönen Namen 'Dream Production'. Werden hier Träume wahr, oder ist das Ganze nur ein Traum? Hier könnte tatsächlich ein Traum Wirklichkeit werden – nämlich Öl als Rohstoff zu sparen und gleichzeitig das klimaschädliche Kohlendioxid sinnvoll zu nutzen. Wir wollen CO2 künftig für die Herstellung von Polyurethanen einsetzen, einem Vorprodukt für Schaumstoffe. Den technologischen Durchbruch haben wir kürzlich im Labor erzielt, nun haben wir – gemeinsam mit dem Energiekonzern RWE und der RWTH Aachen University – begonnen, dieses Verfahren in einer Pilotanlage zu erproben. Bei erfolgreichem Verlauf könnten die ersten Produkte auf CO2-Basis im Jahr 2015 auf den Markt kommen. Nachhaltiges Wirtschaften wird in deutschen Unternehmen groß geschrieben. Bayer will mit seinen Produkten auch dem Klimaschutz und der Ressourceneffizienz dienen. Auf welche Weise gelingt dies? Nehmen Sie beispielsweise Dämmstoffe aus Polyurethan: Die Isolation von Kühlgeräten oder Gebäuden spart etwa 70-mal so viel Energie ein wie die Herstellung der Dämmstoffe erfordert. Oder denken Sie an den Bereich Mobilität: Ob Flugzeuge oder Autos – Kunststoffe, die leicht und z.B. dank der Nanotechnologie trotzdem belastbar sind, ersetzen schwerere Materialien und ermöglichen so einen niedrigen Kraftstoffverbrauch ohne Einbußen bei Raumangebot und Stabilität. Aber auch in der Landwirtschaft sind die Ressourcen begrenzt – die Ackerflächen und Bewässerungsmöglichkeiten lassen sich kaum ausdehnen. Insofern hilft optimiertes Saatgut, die verfügbaren Flächen bestmöglich zu nutzen. Das Thema Nachhaltigkeit ist auch für Investoren und Analysten von immer größerer Bedeutung. Wäre der zurzeit diskutierte, dem Corporate Governance Kodex nachempfundene Nachhaltigkeitskodex für die Unternehmen ein sinnvolles Instrument, um mit diesem Thema umzugehen?
Wir begrüßen grundsätzlich das Ziel des Rates für nachhaltige Entwicklung, wesentliche Nachhaltigkeitsaspekte des unternehmerischen Handelns für alle Anspruchsgruppen greifbar zu machen und damit dem Nachhaltigkeitsengagement von Unternehmen zu einer höheren Sichtbarkeit zu verhelfen. Ein Bereich, in dem Bayer sich stärker engagieren will, ist die grüne Biotechnologie, d.h. also u.a. modifiziertes Saatgut. Die Bedenken in Deutschland und Europa gegenüber genveränderten Lebensmitteln sind groß. Wie will Bayer diese Bedenken ausräumen? Auch hierzulande werden die Bedenken gegen diese Technologie in dem Maße zurückgehen, in dem sie sich weltweit etabliert. Schon heute bauen mehr als 15 Mio. Landwirte weltweit auf rund 150 Mio. Hektar Nutzpflanzen an, die mit Hilfe der grünen Gentechnik optimiert sind, Menschen haben bisher mehr als 2 Mrd. Mahlzeiten mit diesen Produkten verzehrt. Die Sicherheit dieser Technologie beweist sich also tagtäglich millionenfach. Bei Bayer forschen wir zum Beispiel an Pflanzen, die höhere Erträge bringen, widerstandsfähiger gegen Hitze und Trockenheit sind oder resistent gegen Schadinsekten. Da in Europa die Lebensmittelversorgung der Menschen mit Hilfe konventioneller Methoden sichergestellt werden kann, ist der Bedarf an genveränderten Lebensmitteln hier eher gering. Wie sieht es in den Entwicklungsländern aus? Können wir die bei einer wachsenden Weltbevölkerung entstehenden Ernährungsprobleme mit Hilfe der Gentechnik lösen? Die Herausforderung ist jedenfalls so groß, dass es unverantwortlich wäre, die Chancen der grünen Gentechnik nicht zu nutzen. Die Weltbevölkerung wird von heute fast sieben Milliarden Menschen bis zum Jahr 2050 auf über neun Milliarden zunehmen. Gleichzeitig werden knappe landwirtschaftliche Flächen immer häufiger genutzt, um Bio-Kraftstoff zu erzeugen. Das heißt: Wir werden eine enorme Steigerung der landwirtschaftlichen Produktivität brauchen, um in Zukunft alle Menschen ernähren zu können. Dafür müssen wir alle verfügbaren Mittel verantwortungsvoll einsetzen – auch die grüne Gentechnik. Die wichtigste Geschäftssparte von Bayer ist der Healthcare-Bereich. Hier haben die Unternehmen mit politischen Vorgaben und den Generikaanbietern zu kämpfen. Welche Veränderungen muss es in diesem Bereich geben, um im Wettbewerb bestehen zu können?
Bayer ist ein innovatives Unternehmen und wird es bleiben! Wir forcieren die Erforschung, Entwicklung und Vermarktung unserer Produkte, unser Forschungsetat ist in den beiden zurückliegenden, schwierigen Jahren weiter gestiegen und liegt jetzt auf dem Rekordniveau von 3,1 Mrd. EUR. Herr Baumann, im Geschäftsbericht von 2010 kündigt Bayer an, den Frauenanteil im Aufsichtsrat bis 2017 auf 20% erhöhen zu wollen. An anderer Stelle wird darauf hingewiesen, dass bis 2015 der Anteil von Frauen in Führungspositionen konzernweit in Richtung 30% entwickelt werden soll. Wieso sind die Bestrebungen, den Frauenanteil zu erhöhen, in Bezug auf den Aufsichtsrat deutlich bescheidener als bei den Führungspositionen?
Wir wollen mehr Vielfalt bei den Führungskräften – darunter verstehen wir übrigens mehr als den Frauenanteil. So setzen wir u.a. auf eine stärkere Berücksichtigung lokaler Talente aus unseren Auslandgesellschaften bei der Vergabe von Führungspositionen. Nach der Finanzkrise hat sich die deutsche Wirtschaft in einem Tempo wieder erholt, das keiner für möglich gehalten hätte. Trotzdem wird immer wieder gewarnt, dass der Aufschwung noch fragil sei. Sehen Sie das auch so? Können die schrecklichen Ereignisse in Japan zu einem globalen Wirtschaftseinbruch führen? Die schnelle Erholung hat auch damit zu tun, dass in aller Welt Konjunkturprogramme aufgelegt und die Leitzinsen gesenkt wurden. Die deutsche Wirtschaft mit ihrem starken Export hat davon profitiert. Jetzt müssen wir abwarten, wie es weitergeht, wenn diese Impulse auslaufen. Auch die Folgen der Katastrophe in Japan lassen sich heute noch nicht vollständig abschätzen. Im Allgemeinen wird nicht davon ausgegangen, dass die Ereignisse in Japan die Weltwirtschaft stark belasten werden. Für unsere Aktivitäten bleiben wir zuversichtlich für das laufende Jahr. Auch die Diskussion um die Schuldensituation in den europäischen Peripheriestaaten ist vor den dramatischen Entwicklungen in Japan zunächst in den Hintergrund gerückt. Was bedeutet die immense Verschuldung der Euro-Staaten jedoch für die Wirtschaft im Allgemeinen? Sehen Sie konkrete Auswirkungen für ein Unternehmen wie Bayer? Die hohe Staatsverschuldung in Europa ist in der Tat Besorgnis erregend. Die Regierungen müssen ihre Haushalte dringend in Ordnung bringen, und die damit verbundenen Sparanstrengungen werden die Konjunkturentwicklung in den kommenden Jahren bremsen. Mit unserem Portfolio sind wir bei Bayer allerdings nicht so stark betroffen, weil mit den Bereichen Gesundheit und Pflanzenschutz gut zwei Drittel unseres Geschäfts relativ konjunkturunabhängig sind. Allerdings treffen uns die Sparbemühungen im Gesundheitswesen verschiedener Länder. Im vergangenen Jahr lag die Ergebnisbelastung bei 165 Mio. EUR, für 2011 rechnen wir bereits mit 270 bis 290 Mio. EUR. Die starke Wirtschaftsdynamik in Deutschland und die andauernde Rezession in einigen Euro-Staaten hat die Entscheidung für eine Leitzinserhöhung in Europa schwierig gemacht. Trotzdem hat die EZB jetzt den Leitzins erhöht. Was bedeutet dies für die Wirtschaftsentwicklung? Wenn die Inflationsgefahr zunimmt, muss die EZB über geeignete Maßnahmen nachdenken – das ist ihre Aufgabe. Natürlich dämpft eine Leitzinserhöhung die Wirtschaftsdynamik. Aber ich setze darauf, dass die EZB ihre Schritte sehr sorgfältig analysiert und mit Augenmaß handelt. Die Zinserhöhung ist ein Zeichen ihrer politischen Unabhängigkeit, denn es gibt Politiker, die unverhohlen einen Beitrag der Inflation zum Schuldenabbau anpeilen. Die bessere wirtschaftliche Lage hat zur Folge, dass es vermehrt zu Übernahmen oder Fusionen kommt. Mit großer Aufmerksamkeit wird der angestrebte Zusammenschluss der Deutschen Börse AG mit der NYSE-Euronext in Deutschland verfolgt. Was würde ein solcher Zusammenschluss für die Emittenten in Deutschland bedeuten? Welche möglichen Auswirkungen sehen Sie in Bezug auf den Finanzplatz Deutschland? Uns sind derzeit keine Pläne für Änderungen am regulatorischen Rahmen für den Börsenhandel oder an der Börsensegmentierung bekannt, die aus dem genannten Zusammenschluss resultieren würden. Das Gleiche gilt für die bei uns anwendbaren Rechnungslegungs- und Compliance-Vorschriften. Wir gehen daher davon aus, dass wir uns weiter in den derzeit gültigen Rahmenbedingungen bewegen würden, also dem Aktiengesetz und dem Wertpapierhandelsgesetz und damit auch im Zuständigkeitsbereich der deutschen und europäischen Behörden. Diesbezügliche Entwicklungen werden wir aber aufmerksam beobachten. Ende der Corporate News 02.05.2011 Veröffentlichung einer Corporate News/Finanznachricht, übermittelt durch die DGAP – ein Unternehmen der EquityStory AG. Für den Inhalt der Mitteilung ist der Emittent / Herausgeber verantwortlich. Die DGAP Distributionsservices umfassen gesetzliche Meldepflichten, Corporate News/Finanznachrichten und Pressemitteilungen. Medienarchiv unter http://www.dgap-medientreff.de und http://www.dgap.de |
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