Deutsches Aktieninstitut e.V. / Schlagwort(e): Sonstiges
09.11.2012 / 11:38
Frank H. Lutz
'Die Finanzierung von MAN ist konsequent auf den Kapitalmarkt ausgerichtet'
Uta-Bettina von Altenbockum, Finanzplatz
Die andauernde Staatsschuldenkrise zeigt erste Spuren auch in der deutschen Wirtschaft. Bereits im Juli gab der Maschinenbauer und Nutzfahrzeughersteller MAN bekannt, seine Produktion zu drosseln, da sowohl in Südeuropa als auch in Brasilien die Absatzmärkte teilweise dramatisch eingebrochen seien. Frank H. Lutz, Finanzvorstand der MAN SE und Vorstandsmitglied im Deutschen Aktieninstitut, erklärt im Interview mit dem Finanzplatz, warum er trotz Krise optimistisch ist, welchen Herausforderungen sich MAN in den nächsten Jahren stellen muss und warum das Schulfach Ökonomie von grundlegender Bedeutung für unsere Gesellschaft ist.
Interview mit Frank H. Lutz, CFO, MAN SE
Herr Lutz, es heißt, die Finanzkrise habe dazu geführt, dass sich die Unternehmen stärker über den Kapitalmarkt finanzieren. Sehen Sie das auch so? Hat sich die Finanzierung von MAN durch die Krise verändert?
MAN hat bereits im Jahr 2007 die Weichen für eine konsequente Veränderung seiner Finanzierungsstrategie gestellt. Hierbei war ein stärkerer Kapitalmarktzugang zur Reduzierung der Abhängigkeit von den Banken der wesentliche Treiber der finanzstrategischen Neuausrichtung.
Seitdem haben wir viel erreicht, so wurden die Bankverbindlichkeiten von rund 60% auf 10% reduziert und durch Finanzierungsinstrumente des Kapitalmarkts, vor allem Bonds, ersetzt. Dank der guten Reputation von MAN am Kapitalmarkt profitieren wir von guten Finanzierungskonditionen, die zuletzt durch das für Emittenten aus Kerneuropa hervorragende Marktumfeld noch weiter verbessert werden konnten.
MAN hat also schon vor der Finanzkrise seine Finanzierung konsequent auf den Kapitalmarkt ausgerichtet.
Nachdem VW mehr als 75% der MAN-Anteile hält, ist MAN wegen mangelnden Streubesitzes in den MDAX abgestiegen. Wie wird sich dies auf die Finanzierungsmöglichkeiten von MAN über den Kapitalmarkt auswirken? Ist MAN zukünftig auf den Kapitalmarkt nicht mehr angewiesen?
Die Mehrheitsbeteiligung durch VW hat für die Finanzierung der MAN Gruppe grundsätzlich keine Auswirkungen. MAN ist weiterhin eigenständig am Kapitalmarkt aktiv. So haben wir im aktuellen Jahr erfolgreich zwei neue Anleihen mit einem Gesamtvolumen von 1,25 Mrd. EUR platziert.
Welche Bedeutung werden Basel III und die Eigenkapitalrichtlinie CRD IV für die Unternehmensfinanzierung haben? Wie stellen Sie sich darauf ein?
Bedingt durch die von Ihnen benannten Gesetzesänderungen gehen wir grundsätzlich von einer Verteuerung unserer Refinanzierung und der Absicherungsgeschäfte aus. MAN steht diesbezüglich in stetigem Kontakt mit dem Deutschen Aktieninstitut (DAI), um durch koordiniertes Vorgehen auf politischer Ebene hinsichtlich der Absicherungsgeschäfte adäquate Ausnahmetatbestände für Unternehmen zu erwirken.
2012 war für MAN ein schwieriges Jahr. Als Grund für die schlechten Zahlen wurden die Eurokrise und die konjunkturelle Abschwächung in Brasilien genannt. Wie schätzen Sie 2013 ein? Welche Geschäftssparten werden den nächsten Aufschwung tragen?
Die gesamtwirtschaftliche Situation ist noch immer von Unsicherheit geprägt. Entscheidend wird sein, wie es gelingt, die Wirtschafts- und Finanzkrise in Europa zu überwinden. Gleichzeitig sind auch die Erwartungen für die anderen großen Wirtschaftsräume gedämpft. Vor diesem Hintergrund gilt es zunächst den weiteren Jahresverlauf abzuwarten.
Die Nutzfahrzeugbranche würde von einem Aufschwung sicher profitieren. Zudem gehen alle Verkehrsprognosen mittelfristig von einem stark steigenden Güteraufkommen aus. Die Perspektiven sind mittelfristig also weiterhin absolut positiv. Auch der weitere Ausbau der Infrastruktur in den Schwellenländern wird sicher fortgesetzt. MAN kommt dies in vielfacher Weise zugute, egal ob wir Nutzfahrzeuge für den Straßenbau und den Transport von Material liefern, Kraftwerke für die Energieversorgung oder Kernkomponenten für die Öl- und Gasindustrie.
Die Wettbewerber von MAN standen im Nutzfahrzeugbereich zuletzt besser da. Warum? Welche Maßnahmen ergreift MAN, um sich in Zukunft besser zu positionieren?
Das ist zunächst nur eine Momentaufnahme. Die Hersteller haben jeweils unterschiedliche geografische Schwerpunkte. Die ausgeprägte Marktschwäche vor allem in Südeuropa trifft andere Hersteller stärker als uns. In Brasilien führen Sonderfaktoren wie die Einführung einer neuen Emissionsnorm 2012 zu einer Delle, das spürt MAN als Marktführer mehr als andere. Umgekehrt war der nordamerikanische Markt zuletzt recht stark, dort sind wir nicht vertreten. Die Zeichen einer Trendwende mehren sich jedoch, hier wie dort. Entscheidend sind weniger einzelne Zeitpunkte in den jeweiligen regionalen Branchenzyklen als nachhaltige Trends. MAN ist in den wesentlichen Wachstumsmärkten gut vertreten, ebenso in Europa, dem Markt mit den höchsten Margen. Das hat sich in der Vergangenheit bezahlt gemacht, und das wird auch wieder so sein.
Unabhängig davon arbeiten wir kontinuierlich daran, Produktivität und Rentabilität zu verbessern und kundenorientierte Leistungen mit besonderem Mehrwert anzubieten.
MAN steht in der öffentlichen Wahrnehmung vor allem für den Nutzfahrzeugbereich. Aber in Zeiten der Energiewende, in denen das Thema Energiegewinnung sprunghaft an Bedeutung gewonnen hat, will MAN die 'Stromerzeugung mitgestalten'. Wie wird das aussehen? Können Wind-Diesel-Hybridkraftwerke von MAN das Problem der Grundlast lösen?
Dieselkraftwerke haben tatsächlich den großen Vorteil, dass ihre Leistung sehr schnell hochgefahren werden kann, wenn andere Energieträger kurzfristig ausfallen, zum Beispiel Strom aus Wind und Sonne. Dies gilt umso mehr für Kraftwerke, die sowohl mit Dieselkraftstoff als auch mit Erdgas oder Biogas betrieben werden können. Auch diese Hybrid-Variante bietet MAN an. Der Bereich Power Plants hat sich bei uns zuletzt gut entwickelt und wir erwarten weiteres Wachstum. Ob dies auch in Deutschland oder Europa realisiert wird, hängt jedoch unter anderem von offenen Entscheidungen der Politik über die Regulierung des Strommarktes ab. MAN ist jedenfalls bereit, zu flexibel einsetzbaren Kapazitäten beizutragen.
Das Thema Nachhaltigkeit stellt alle Unternehmen vor große Herausforderungen. Neben dem Thema Klimawandel wird auch der Umgang mit dem Thema Ressourcenknappheit eine bedeutende Rolle spielen, wenn deutsche Unternehmen zukünftig erfolgreich sein wollen. Welchen Beitrag leistet ein Unternehmen wie MAN in Bezug auf dieses Thema?
MAN ist fokussiert auf Transport und Energie, daher ist das Thema für uns von großer Bedeutung. Wir werden hier einen signifikanten Beitrag zur CO2-Reduktion leisten: Bis 2020 sollen die eigenen CO2-Emissionen an den MAN-Standorten weltweit um 25% reduziert werden (Basisjahr 2008). Dieses verbindliche Ziel ist Teil unserer Klimastrategie, die wir vor einem Jahr beschlossen haben. Für die Überwachung und Steuerung der Umsetzung der gesamten Klimastrategie dienen definierte Kennzahlen, die regelmäßig erhoben und berichtet werden.
Zudem sind Klimawandel, Globalisierung und Urbanisierung zentrale Treiber für unser Produkt- und Serviceportfolio. Unsere Kunden stehen täglich im harten Wettbewerb, den sie nur mit effizientem Ressourceneinsatz bestehen. Mit unseren Lösungen unterstützen wir sie, nachhaltige Transportkonzepte und eine zukunftssichere Energieversorgung zu ermöglichen.
Mit Blick auf den demografischen Wandel bekommt auch das Thema Beteiligung von Frauen an Führungspositionen eine ganz neue Dimension. 13% der Mitarbeiter von MAN sind weiblich. 7,3% der Führungspositionen werden von Frauen bekleidet. Von der aktuell auf nationaler und europäischer Ebene diskutierten 40%-Frauenquote ist MAN damit weit entfernt. Welche konkreten Maßnahmen ergreift MAN, um mehr Frauen in Führungspositionen zu bringen? Was müsste auf staatlicher Ebene getan werden, um eine Frauenquote von 40% überhaupt realisieren zu können?
Frauen übernehmen bei MAN bereits heute vielfältige Aufgaben in Controlling, Produktion und Entwicklung. Sie leisten in einem Technologieunternehmen wie MAN einen unverzichtbaren Beitrag zur Unternehmensentwicklung. Der Anteil von Frauen in Führungspositionen soll weiter ausgebaut werden mit geeigneten Entwicklungsinstrumenten und Förderprogrammen wie Mentoring, Coaching, Betriebskindergärten, Unterstützung bei Kinderbetreuung, besondere Beachtung in der Nachfolgeplanung etc.
Bei all dem gilt es zu bedenken, dass bei MAN Ingenieursstudiengänge für die Besetzung von Führungspositionen eine herausragende Rolle spielen. Die Zahl der Absolventinnen ist in den MINT-Fächern an den Hochschulen jedoch noch immer nicht ausreichend hoch und erschwert eine vermehrte Einstellung von Frauen in einem Technologie-Unternehmen wie MAN. Eine starre Quote ist deshalb nicht zielführend. MAN unterstützt hingegen die Initiative 'MINT – Zukunft schaffen'. Ziel der MINT-Initiative ist es, Austausch und Vernetzung zwischen Schule, Hochschule, Wirtschaft und Politik zu verstärken.
Voraussetzung dafür, dass MAN seine Geschäftsprognosen einhalten könne, sei, so haben Sie gesagt, dass die Politiker die Schuldenkrise in Europa in den Griff bekommen. Sind Sie der Ansicht, dass dies nach Verabschiedung des ESM und dem Ankauf von Staatsanleihen durch die EZB gewährleistet ist?
Kurzfristige Stützungsaktionen sind unverzichtbar, sie können aber nur ein erster Schritt sein. Glaubwürdig sind solche Maßnahmen letztlich nur, wenn bisherige Strukturen mit ihren negativen Anreizen für Staaten, Banken und Finanzmärkte bereinigt und verbessert werden. Hier ist sicher noch einiges von der Staatengemeinschaft zu leisten. Wenn dies nicht gelingt, werden wir immer wieder massiven Spekulationsdruck erleben. Jetzt besteht die Chance, klare Regeln zu schaffen und unangenehme Wahrheiten auszusprechen, vor denen man sich jahrelang gedrückt hat. Wenn das gelingt, werden auch die dringend benötigten Wachstumskräfte zurückkehren.
Obwohl die konjunkturellen Vorzeichen weltweit schlechter werden, hat der DAX in den letzten Monaten deutlich zugelegt. Schätzen die Anleger die Zukunftsaussichten der Unternehmen und der Wirtschaft realistisch ein, oder entsteht hier eine neue Blase?
Die Entwicklung an den Märkten war zuletzt sicher stark vom Krisenmanagement in Europa geprägt. Dabei haben die Stützungsaktionen für eine erste Erleichterung gesorgt und die Hoffnung auf eine grundlegende Bewältigung der Krise. Wenn nun die oben genannten weiteren Schritte folgen, wir also angemessene Regeln finden, die Fehlanreize vermeiden, ohne die Kapitalallokation zu behindern, ist diese Hoffnung berechtigt gewesen und der damit induzierte Börsentrend kann sich fortsetzen.
Nach einer neueren Forsa-Umfrage bleibt den Deutschen die Finanzwelt weiterhin unverständlich. Was sollte Ihrer Meinung nach getan werden, um dieses Problem zu beheben?
Ich denke, hier wird sehr viel schon in der schulischen Bildung versäumt. Unsere Kinder müssen an wirtschaftswissenschaftliche Themenkomplexe herangeführt werden. Nur so können Berührungsängste abgebaut und Verständnis geschaffen werden. Die Finanzwelt ist m.E. eines der reichhaltigsten, innovativsten und spannendsten Themenfelder, und was unter dem Begriff 'Finanzwelt' subsumiert ist, berührt ja letztlich im Laufe unseres Lebens uns alle – denken Sie nur an Immobilienfinanzierung, Finanzanlage oder Altersvorsorge. M.E. ist es also unerlässlich, dass auf diesem Gebiet eine solide Ausbildung gewährleistet wird.
MAN selbst pflegt enge Partnerschaften mit den Universitäten und berichtet den Studenten direkt aus der täglichen Praxis. Die Medien stehen ebenfalls in der Verantwortung, die – zugegeben – oft recht komplizierten Zusammenhänge verständlich und nicht populistisch darzustellen. Nicht zuletzt liegt es auch an jedem Einzelnen selbst, diese Informationen einzufordern und nicht nur auf einfache Botschaften zu hören.
Herr Lutz, neben Ihren vielen Verpflichtungen laufen Sie auch Marathon. Muss man ein Ausdauersportler sein, um als Finanzchef eines großen Unternehmens bestehen zu können? Was kann die Wirtschaft vom Sport lernen?
Eine gewisse Grundkondition ist sicher eine gute Ausgangsbasis, aber ich vergleiche es lieber mit dem Mannschaftssport: Die beste Leistung ist nur in einem guten Team möglich und ein gutes Team vereint verschiedene Fähigkeiten: Ausdauer und Disziplin genauso wie Kreativität und Dynamik. In erfolgreichen Mannschaften unterstützt einer den anderen, weil es ein gemeinsames Ziel gibt und jeder in seinem klar definierten Bereich Verantwortung übernimmt.