Deutsches Aktieninstitut e.V.
Deutsches Aktieninstitut e.V.: Finanzplatz
Deutsches Aktieninstitut e.V. / Schlagwort(e): Sonstiges Dr. Nikolaus von Bomhard 'Europa und der Euro lohnen den größtmöglichen Einsatz' Uta-Bettina von Altenbockum, Finanzplatz Mitte Januar wurde Nikolaus von Bomhard von der St. John's University's School of Risk Management der Titel 'Insurance Leader of the Year 2012' verliehen, als Anerkennung für seine Verdienste um das von ihm geführte Unternehmen, aber auch weil er bereit ist, in schwierigen Zeiten Stellung zu beziehen. Der Vorstandsvorsitzende von Munich Re scheut weder die Auseinandersetzung mit der Politik noch mit seinesgleichen, wenn ihm ein Thema unter den Nägeln brennt. Im Gespräch mit dem Finanzplatz spricht er über die Kapitalanlagealternativen von Munich Re, Standards bei der Nachhaltigkeitsberichterstattung und seine Visionen für Europa. Interview mit Dr. Nikolaus von Bomhard, CEO, Munich Re, Mitglied im Deutschen Aktieninstitut Herr von Bomhard, Munich Re hat 2012 einen Gewinn von 3,2 Mrd. Euro erzielt, mehr als Anfang des Jahres erwartet. Hat sich die zuletzt vorherrschende Stimmung bestätigt, wonach das Schlimmste der Euro-Krise vorbei sei? Wie wird sich die deutsche/europäische Wirtschaft 2013 Ihrer Meinung nach entwickeln? Auf dem Kapitalmarkt beobachten wir eine gewisse Entspannung bei einzelnen Indikatoren der Krise. Von einer nachhaltigen Beseitigung der Ursachen der Krise sind wir jedoch noch ein gutes Stück entfernt. Wir bleiben also bei unserer vorsichtigen Grundeinstellung. Der deutschen Wirtschaft geht es dabei noch vergleichsweise gut, denn wir profitieren nach wie vor von Impulsen vor allem außerhalb der EU. Wie die meisten Konjunkturforscher gehen wir für 2013 davon aus, dass die deutsche Wirtschaft, im Gegensatz zur Eurozone, ein leichtes Wachstum aufweisen wird. Blicke ich nach vorn, so ist es außerordentlich wichtig, die richtigen Lehren aus der Krise zu ziehen, und nicht nur in Europa. Die Maßnahmen etwa bei der Konsolidierung der Staatsfinanzen gehen in vielen Ländern, beispielsweise in den USA, noch nicht weit genug.
Munich Re hat als Konzern Kapitalanlagen im Umfang von über 200 Mrd. Euro. Wie können Sie diese in der aktuellen Niedrigzinsphase überhaupt noch sinnvoll anlegen? Die Kapitalanlage in Erneuerbare Energien, wie z.B. Wind- bzw. Solarkraftwerke, ist eher ungewöhnlich. Spricht daraus die schiere Verzweiflung oder wäre dieses Engagement auch in normalen Zinszeiten denkbar gewesen? Investments in Erneuerbare Energien und Infrastruktur sind aufgrund der langfristig erzielbaren und vergleichsweise stabilen Erträge für Versicherungen gut geeignet. Freilich müssen die Rahmenbedingungen stimmen. Wir haben uns für Investitionen in Erneuerbare Energien eine Zielgröße von 2,5 Mrd. EUR und für Infrastruktur von 1,5 Mrd. EUR gegeben. Noch sind wir nicht am Ziel. Bei diesen Investitionen nutzen wir das technische Know-how der Kollegen, die diese Anlagen versichern oder rückversichern, eine interessante Synergie im Konzern. Solche Investments bieten übrigens auch einen gewissen Schutz gegen Inflation. Nur gut 3 % ihrer Kapitalanlagen legt Munich Re in Aktien an. Wäre eine höhere Aktienquote aus Sicht der Versicherer wünschenswert? Was sind die Gründe für die niedrige Aktienquote und was müsste getan werden, damit deutsche Versicherer verstärkt in Aktien anlegen? Diese Zurückhaltung beruht nicht, wie oft behauptet, auf den neuen Solvenzregeln. Es geht vielmehr um die Frage, welche Kapitalanlagen unsere Verbindlichkeiten optimal bedecken. Und hier sind Aktien nicht die erste Wahl. Auch wollen wir nicht zu hohe Kapitalmarktrisiken auf die Bilanz nehmen. Unsere Aktionäre setzen darauf, dass wir das Versicherungsgeschäft profitabel betreiben. Nicht darauf, dass wir hohe Risiken am Kapitalmarkt eingehen.
Die nach dem Reaktorunglück in Deutschland beschlossene Energiewende steht, so wirkt es zumindest, auf ziemlich wackeligen Füßen. Dabei scheint die Produktion erneuerbarer Energie weniger das Problem zu sein als die Verteilung derselben in Deutschland. Die Netzbetreiber wirken mit den neuen Anforderungen finanziell überfordert. Werden hier zukünftig die Versicherer als Finanziers in die Bresche springen? Munich Re hat zusammen mit der Desertec Foundation die Gründung der Dii GmbH angestoßen, die zum Ziel hat, das Desertec-Konzept in Europa, dem Mittleren Osten und Nordafrika umzusetzen. In Marokko soll 2016 ein Wüstenstrompark ans Netz gehen, der auch Europa mit Strom versorgen soll. Wäre es nicht viel sinnvoller, wenn zunächst einmal die nordafrikanischen Staaten den Strom für eigene Zwecke nutzten, als ihn über große Entfernungen nach Europa zu verkaufen? Eine generelle Anmerkung vorweg: Die Desertec-Vision folgt ja dem Ziel, 'sauberen' Strom möglichst effizient zu erzeugen. Mit Blick auf die Rahmenbedingungen sind die Potenziale für erneuerbare Energien in Nordafrika – aus Sonne wie aus Wind – enorm. Daher haben wir seinerzeit beim Aufbau der Dii GmbH die Initiative ergriffen, um die Umsetzung der Desertec-Vision spürbar voranzubringen. Der Ausschreibungs- und Finanzierungsprozess für ein erstes Kraftwerk ist durch die marokkanische Solaragentur MASEN in der Tat bereits abgeschlossen worden. Der Baubeginn ist für Anfang 2013 vorgesehen. Den Tenderprozess hat übrigens ein Konsortium unter der Führung eines Shareholders der Dii GmbH gewonnen. Bei dem von Ihnen genannten Projekt handelt es sich um ein Referenzvorhaben, bei dem insbesondere auch die Stromübertragung nach Europa und die dazu erforderlichen regulatorischen Rahmenbedingungen erarbeitet werden sollen. Dabei darf aber nicht übersehen werden, dass das Desertec-Konzept fest davon ausgeht, dass der erzeugte Strom hauptsächlich für die lokalen Märkte produziert wird. Nur ein Teil des Stroms soll nach Europa exportiert werden. Ein Gewinn für alle also, wenn es klappt. Seit Ende 2011 gibt es einen Deutschen Nachhaltigkeitskodex, der auf den Standards der Global Reporting Initiative (GRI) beruht. Obwohl Munich Re auch nach den GRI über ihre Nachhaltigkeitsanstrengungen berichtet, hat sie bisher noch keine Entsprechenserklärung abgegeben. Warum nicht? Was halten Sie von den Bemühungen, auf europäischer Ebene Nachhaltigkeitsvorschriften zu verabschieden? Da sprechen Sie einen wichtigen Aspekt an. Versicherung ist ja immer ein Versprechen für die Zukunft. Daher ist uns nachhaltiges Wirtschaften sehr wichtig. Und ich bin sicher, dass langfristig gesehen ein nachhaltiges Wirtschaften nicht nur gesellschaftspolitisch, sondern auch volkswirtschaftlich für uns alle sinnvoller ist. Nun zu Ihrer Frage: Es gibt derzeit das Problem unterschiedlicher Standards, nach denen jeweils Fortschrittsberichte erstellt werden müssen. Wir setzen uns stark für eine internationale Standardisierung ein, bei der auch die Besonderheiten verschiedener Branchen berücksichtigt werden müssen. Im Augenblick konzentrieren wir uns auf die von Ihnen genannte GRI und auf unsere Mitgliedschaft in verschiedenen Nachhaltigkeitsinitiativen auf Ebene der Vereinten Nationen. Auch wenn wir an der Gestaltung des Deutschen Nachhaltigkeitskodex mitgewirkt haben, müssen wir als internationales Unternehmen unsere Kräfte doch auch konzentrieren. Ich bin zuversichtlich, dass eine Harmonisierung der Berichtsanforderungen gelingen kann. Mitte letzten Jahres haben Sie den Zorn der deutschen Banker auf sich gezogen, als Sie öffentlich die Trennung von Eigenhandel und Kundengeschäft bei Banken favorisierten. Ist es wirklich notwendig, den Eigenhandel aus den Banken komplett auszulagern? Inwieweit ist es nicht eher die Frage, wie risikogeneigt dieser Eigenhandel betrieben wird? Mir geht es um folgenden Punkt: Zunächst ist es wichtig, dass die Aufsicht völlige Transparenz erreicht bezüglich der diversen Bankgeschäfte. Weiter muss verhindert werden, dass über Verluste aus dem Investmentbanking das systemische Risiko eines 'Run auf die Banken' entsteht, weil Bankkunden um ihre Spareinlagen fürchten. Und schließlich muss verhindert werden, dass der Steuerzahler für etwaige Verluste in Anspruch genommen wird. Es geht also darum, das Bankensystem insgesamt krisenfest zu machen; Schieflagen einzelner Banken dürfen keine Systemkrise auslösen. In diesem Kontext sollten Banken mit Investmentbanking-Geschäft gegenüber der Aufsicht begründen, warum, wofür und auch in welcher Dimension sie dieses Geschäft betreiben. Wo das Investmentbanking dem Kundengeschäft offensichtlich nicht dient, wie etwa der Eigenhandel, sollte man es trennen. Für diese Trennung gibt es unterschiedliche Wege. Wird Munich Re zukünftig selbst Kredite an Unternehmen vergeben? Werden die Versicherer dann nicht möglicherweise auch systemrelevant? Unsere Beteiligung an der Finanzierung von Unternehmen wird auch künftig vor allem über Unternehmensanleihen stattfinden – sie haben im Moment einen Anteil von rund 10 Prozent unseres Zinsträgerportfolios. Die Übernahme von Kreditrisiken allein sorgt im Übrigen nicht für Systemrelevanz, solange nicht weitere Elemente hinzukommen, beispielsweise eine ausgeprägte Vernetzung mit Banken. Versicherer, das möchte ich hinzufügen, sind im Kerngeschäft anerkanntermaßen nicht systemrelevant. Sie sind untereinander nicht vernetzt wie Banken und sie sind – was uns bei der Preisgestaltung nicht entgegenkommt – vergleichsweise leicht zu ersetzen. Solange sich die Kapitalanlagen eines Versicherers also an den Verbindlichkeiten auf der Passivseite der Bilanz orientieren – und das tun sie bei uns wie bei den großen Wettbewerbern -, entsteht eben keine Systemrelevanz. Herr von Bomhard, im letzten Jahr haben Sie von den Politikern verlangt, Führungsstärke zu zeigen und den Bürgern den Weg zu einem geeinten Europa aufzuzeigen. Was kann die deutsche Wirtschaftselite dafür tun, dass der Weg zu einem gemeinsamen Europa gelingt? Europa und der Euro lohnen den größtmöglichen Einsatz. Denn nie zuvor haben die Völker Europas in so viel Freiheit und Sicherheit sowie insgesamt relativ stabiler wirtschaftlicher Prosperität leben können. Ich plädiere schon länger für ein Überarbeiten der Balance der politischen Institutionen in Europa, das beginnt bei deren Wahl und endet beim Zuschnitt ihrer Rechte. Für ein sinnvoll integrierteres Europa müssen die Staaten auch zur Aufgabe eines gewissen Maßes an nationaler Souveränität bereit sein. Manche Kompetenzen europäischer Institutionen müssen aber auch zurückgeschnitten werden. Zutiefst überzeugt bin ich, dass die Bürger als Wähler mehr Teilhabe am politischen Geschehen in Europa brauchen bis hin zum Einfluss auf die Zusammensetzung einiger europäischer Institutionen. Die Unternehmen und deren Repräsentanten müssen das Thema 'Europa' lebendig halten, und eben nicht nur beschränkt auf die Bewältigung der derzeitigen Krise. Ende der Corporate News 18.02.2013 Veröffentlichung einer Corporate News/Finanznachricht, übermittelt durch die DGAP – ein Unternehmen der EquityStory AG. Für den Inhalt der Mitteilung ist der Emittent / Herausgeber verantwortlich. Die DGAP Distributionsservices umfassen gesetzliche Meldepflichten, Corporate News/Finanznachrichten und Pressemitteilungen. Medienarchiv unter http://www.dgap-medientreff.de und http://www.dgap.de |
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